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Gottesdienst zum Erntedankfest

 1. Oktober, 10.30 Uhr Erntedankgottesdienst in der St. Marienkirche mit Pfarrer Kösling und Marienorganist Xaver Schult, im Anschluss Kirchencafe unter der Empore

abrikostraeerne findes, abrikostraeerne findes. Die erste Strophe des Langedichtes Alphabet der dänischen Lyrikerin Inger Christensen. die aprikosenbäume gibt es, die aprikosenbäume gibt es.

In unseren Gegenden sind sie selten. Das liegt vor allem an ihrer Wärmebedürftigkeit: prunus armeniaca stammt ursprünglich aus den trockenen, klimatisch kontinental geprägten Steppen Asiens. Nun ja, wir werden sie in unseren Breiten vielleicht bald öfter sehen, die Aprikosenbäume und werden ihre Früchte ernten. Ich liebe jedenfalls ihre gelbroten Früchte. Am liebsten mag ich sie, wenn sie noch nicht ganz weich sind… Zurück zu Inger Christensen. In ihrem berühmten Gedicht hat die Dichterin sich vorgenommen die Schöpfung zu archivieren, zu katalogisieren, sie zu feiern. Jedenfalls das leere Blatt zu füllen. Sie bediente sich dabei der Fibonacci-Folge, die mit 1 und 2 beginnt und bei der jedes folgende Glied die Summer der beiden vorangegangenen darstellt. Auf die 2 folgt die 3 weil 1 plus 2 – wie jeder weiß – 3 ergibt. Auf diese folgt dann schon die 5, sodann 8,13,21 und so weiter und so fort. Bald hat man es mit unüberschaubaren Summen zu tun. Fibonacci übrigens nutze seine Folge anfangs, um die rasante Vermehrung von Kaninchen mathematisch zu erfassen. Mit jeder Strophe des Gedichtes, mit jedem Kapitel, bekommt es die Leserin bei Christensen mit der Fülle der Schöpfung zu tun. Lesen Sie es mal. Sie kommen nur bis Buchstabe N dessen Strophe, oder Kapitel, bereits 610 Zeilen umfasst. Die volle Packung Schöpfung und Leben. Man kann es nicht fassen. Unser Dank versucht es zumindest. Im Lied und im Gebet. Das Lob Gottes im Angesicht der wundersamen Unüberschaubarkeit. Manchmal finde ich gar keine Worte für das alles. Und manchmal – und die Momente werden mehr – fehlen mir die Worte, für das, was fehlt: der Spix Ara, 2000 zuletzt gesehen, zum Beispiel. Erntedank ist auch ein Tag der Klage und ist Ruf in die Verantwortung für die bedrohte Schöpfung, von der wir ein Teil ja auch sind.

eine schar kinder sucht schutz in einer höhle
nur stumm von einem hasen beobachtet
als wären sie kinder in den märchen
der kindheit hören sie den wind von den abgebrannten
feldern erzählen
doch kinder sind sie nicht
niemand trägt sie mehr


So wie in Inger Christensens Gedicht soll es nicht enden. Denn nach dem N kommt doch noch das O und mit ihm die Ohio-Rosskastanie und der Olivenbaum, die Ohrlitze und der Ozelot und Obacht und Obhut und das Ohhh des Staunens über das, was immer noch da ist. Der Dank speist sich aus dem Staunen. Und der Dank macht, dass es reicht. Dass es für alle reicht. Eine Aprikose für jede und jeden, so in der Art.

Bleiben Sie behütet und feiern Sie mit uns Erntedank. Ihr Pfarrer Michael Kösling

Inger Christensen, Alphabet, Kleinheinrich, Münster 2022.